Hintergrund - Pfarrer-Paul-Straße
Pfarrer Rudolph Erhard J o h a n n e s P a u l
wurde am 9. Februar 1913 als einziges Kind seiner Mutter
Clara geb. Wolf, die ab ihrem 31. Lebensjahr das Gehör völlig verlor, in Reichenbach im Vogtland geboren.
Sein Vater, der Graphiker und Kunstmaler Rudolph Paul, hatte schwere gesundheitliche Schäden psychischer Art aus dem 1. Weltkrieg mitgebracht und war bald nicht mehr fähig, seinen Beruf auszuüben. So wuchs Johannes Paul zwar sehr behütet, aber in großer Sorge um seine Eltern auf.
Er besuchte das Gymnasium in Reichenbach und begann das Studium der Theologie und Philosophie in Leipzig. Er sah darin den tiefen Sinn seines Lebens. Die christliche Erziehung zu Hause, das Verständnis für Arme und Kranke, und vor allem auch der Umgang in der Kirchgemeinde legten dazu die Wurzeln.
Im Mai1941 heiratete er Erna, Irene Haun, ebenfalls aus Reichenbach stammend, und 1942 wurde das einzige Kind der beiden, die Tochter Anne-Kristin geboren. Unmittelbar nach der Hochzeit erfolgte die Einberufung von Johannes Paul in die Kaserne Leipzig-Gohlis und nach Gärnitz. Als Pazifist war es ihm ein Greuel, Kriegsdienst leisten zu müssen. Das 5. Gebot "Du sollst nicht töten", war ihm absolute Verpflichtung.
Dann kam er über Polen in die Ukraine und 1945 in sowjetische Gefangenschaft. Von dort kehrte er erst am 22. November 1948 zurück. Dem furchtbaren Sterben seiner Kameraden zusehen zu müssen und die Angst, selbst nicht mehr zurückkehren zu können, trug zu einer starken Veränderung seiner Persönlichkeit bei. Als eher schüchterner Mensch bekannt, setzte er sich nun an die Betten der Verwundeten, schrieb für sie Briefe nach Hause, betete mit ihnen und konnte so seinen künftigen Beruf in größter Not beginnen, ohne sich zu fürchten. Die Kontakte zu den Eltern der gefallenen Freunde blieben noch über Jahrzehnte nach seiner eigenen Heimkehr erhalten. Die Gefangenschaft aber, von Hunger und Krankheit geprägt, ließ ihn als völlig gebrochenen Mann zurückkommen.
Das theologischen Examen war nachzuholen, ein unbeschreiblicher Kraftkat für ihn. In dieser Zeit gab er zuerst Religionsunterricht in Leipzig und predigte an verschiedenen Orten. Kinder und Jugendliche waren ihm zugetan und er konnte sie begeistern. Das Ziel, Pfarramtsleiter zu werden, rückte somit näher.
Am 20.10.1943 war die Sommerfelder Kirche bis auf die Grundmauern total ausgebrannt. Nur die kleine Sakristei war seit 1948 für Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen nutzbar geblieben.
Das Landeskirchenamt Dresden bat Johannes Paul, doch am 2. Pfingstfeiertag 1951 in Sommerfeld zu predigen. Schon am 8. Juli 1951 wurde er ohne die sonst üblichen Schritte der Vorbereitung für ein Pfarramt dienstverpflichtet mit der Bitte, die Kirche wieder aufzubauen. Mit großem Schwung und Gottvertrauen stürzte er sich in diese Riesenaufgabe. Durch unermüdlich tatkräftige Baufirmen vor Ort und eine wunderbare, stets wachsende Gemeinde, die äußerst spendenfreudig war, geriet das Werk innerhalb von nur 2 Jahren. Johannes Paul entdeckte seine Begabung als Organisator für alle Gewerke und war neben der Arbeit in der Gemeinde auch täglich auf der Baustelle anzutreffen. Nachts schrieb er immer wieder Gesuche für finanzielle Förderung des nächsten Bauabschnittes. Diese wurden im Rahmen der damaligen Möglichkeiten bewilligt.
Am 4. Oktober 1953 konnte die Sommerfelder Kirche durch Landesbischof D. Gottfried Noth, den Superintendenten und viele Pfarrerkollegen geweiht werden. Baumeister Erhart Garbade, die Firma Heinz Janetzki, Zimmermeister Baum, Zimmermeister Matz, die Firma Schumann und unzählige andere Firmen und Helfer haben unermüdlich, ohne auf die Uhr zu schauen, für diese Kirche gewirkt. Die Gemeinde säumte zur Einweihung den Arnoldplatz vom Pfarrhaus bis zur Kirche.
Vor dem Wiederaufbau der Kirche aber hatte Johannes Paul die Scheune im Pfarrhof als Gemeindesaal ausbauen und die Friedhofskapelle restaurieren lassen. Sie wurde vergrößert und mit einer Empore versehen. 1953/54 wurde der Friedhof erweitert. Gemeinsam mit dem Architekten und Bildhauer Alfred Brumme aus Leipzig entwarf Pfarrer Paul ein großes Glasfenster, welches die Auferstehung Christi darstellen sollte. Die Ausführung lag bei dem Glasmaler Rolf Stokinger.
Des Pfarrers künstlerischer Blick, auch für die Ausstattung der wiedererstehenden Kirche, ermöglichte ihm eine wunderbare Zusammenarbeit mit dem Tischler Oswald Lindner, dessen Werkstatt am Arnoldplatz war. Schöpferische Menschen sind manchmal unbequem. So war seine fordernde Art nicht jedermanns Sache. Seine Nerven waren oft überstrapaziert und er selbst überfordert. Aber da alle das Ziel vor Augen hatten, wuchs die Gemeinde unaufhörlich und verzieh ihm mancherlei lautstarke Ausbrüche. Es gab einen großen Frauenkreis, eine starke Männergruppe, eine "Großmütterchen"-Gruppe, eine starke Junge Gemeinde, viele Konfirmanden, Trauungen und Taufen. Eine Bürohilfe konnte nur stundenweise finanziert werden. Über alledem wachte ein tatkräftiger Kirchenvorstand mit Wohlwollen und der Lust, selbst stets einsatzbereit zu sein. Sitzungen bis in die Nacht waren an der Tagesordnung. Für den Fortgang der Bauarbeiten brauchte man Holz und jedes andere Material. Der Pfarrer suchte es in Abrißgemeinden im Leipziger Umfeld, wurde fündig, und die Sommerfelder Handwerker schafften es herbei.
Sein Organisationstalent sah auch erstmalig eine eigene Gemeindeschwester vor. So warb er immer wieder dafür und fand zwei Diakonissen aus Magdeburg, zuerst Schwester Emma Dreilich und danach Schwester Helene Guder, die in die Sperlingslust des Pfarrhauses einzogen und unter armseligsten Bedingungen segensreich wirkten.
Und nicht zuletzt stand die Pfarrfrau Irene Paul als Ansprechpartnerin für die Gemeinde immer bereit.
Nun wünschte sich Pfarrer Paul eine Orgel in die neue Kirche, möglichst von Urban-Kreutzbach. Die Sommerfelder Kreutzbach-Orgel von 1859 wurde beim Kirchenbrand total zerstört. In Bad Lausick wird der Pfarrer fündig und mit wiederum viel Geschick erhält er die dortige Kreutzbach-Orgel von 1861 und kann die Firma Lahmann für den Einbau gewinnen. Ein großartiges Erlebnis, als zuerst die Empore entsteht und dann die Orgel, Pfeife für Pfeife, eingebaut wird.
Johannes Pauls verbindliche und direkte Art wurde auch von den staatlichen Vertretern respektiert. So pflegte er stets ein gutes Verhältnis zu Ihnen. Im 71. Lebensjahr ging er in den Ruhestand und Sommerfeld war seine geliebte Heimat geworden. Alle seine Begabungen hatte er ausleben können: Gottes Wort verkündigen, Kranke und Trauernde trösten, Jungen den Weg zeigen und Alte für die Ewigkeit vorbereiten. Leider blieben Büroarbeiten auf der Strecke. Dafür fehlten ihm die Anleitung, Hilfe, Zeit und Lust.
Pfarrer Paul war 8 Jahre lang Vorsitzender des Pfarrerkonventes und auch zeitweise abgeordnet, Borsdorf, Althen und Zweenfurth mit Gottesdiensten zu versorgen. 1980 erkrankte seine Frau Irene schwer und am 26. Februar1981 verstarb sie im St. Elisabeth-Krankenhaus. Jahrelang quälte ihn der Gedanke, zu wenig Zeit mit ihr verbracht zu haben. Denn beide waren immer "im Dienst". Das Ehepaar Bezirkskatechet Rudolf und Irmgard Merkel, auch in Sommerfeld als Katecheten tätig gewesen, lud ihn oft nach Portitz ein. Noch 15 Jahre wohnte er in der großen Schule am Friedhof, umsorgt von Irmgard Merkel. Rudolf Merkel hatte es sich so gewünscht vor seinem Tode. Am 6. April 2000 verstarb er im Altenheim Martin-Andersen-Nexö, wo er als schwerer Pflegefall Ende 1999 aufgenommen wurde. Dort versuchte er, die meist kirchenfernen Mitbewohner auf den Glauben aufmerksam zu machen. Einen Tag vor seinem Tode fragte er, ob sein Festanzug im Schrank bereit sei. Vielleicht freute er sich auf das, was er ein Leben lang geglaubt hatte.
Anne-Kristin Mai
Unter Pfarrer Ulbricht erhielt die Sommerfelder Kirche ihr typisches Spitzdach zurück.
Auf einem Nachbar-
grundstück wurde die 11m hohe Turmspitze von einer Zimmerei
zusammengebaut. Innerhalb von knapp drei Stunden wurde die Turmspitze von einem Kran
ca. 30m angehoben und sicher aufgesetzt.
Foto links: L.Hempel,
Foto rechts: Marita Syrbe